Als Konsequenz aus der neuen Bedarfsstudie plant Sozialministerin Taubert (SPD) eine Image-Kampagne für den Pflegeberuf. Opposition kritisiert Thüringer "Pflegepakt", der bisher folgenlos blieb. Wohin verschwinden die jungen Fachkräfte?
Erfurt. Dass nach einer neuen Studie aus Jena die Thüringer Pflegebranche in den nächsten 15 Jahren rund 8000 zusätzliche Fachkräfte braucht, stand gestern schon in der Zeitung. Die Frage lautet, was macht Sozialministerin Heike Taubert (SPD)mit dieser Zahl?
Sie sagte gestern einen merkwürdigen Satz dazu: "Ich plädiere dafür, die Pflege auch von der schönen Seite zu sehen."
Das war mehr so berufsethisch gemeint. Die Ministerin kündigte eine Image-Kampagne des Landes für "den schweren, aber auch spannenden Pflegeberuf" an. Das brachte die Opposition ebenso schnell in Stellung wie die Interessenverbände. Der Bedarf an Altenpflegerinnen sei "ein alter Hut", legte der Gesundheitspolitiker der Linken, Jörg Kubitzki , los. Der Situationsanalyse müssten nun auch mal Taten folgen.
Das Placebo Pflegepakt reicht nicht aus
Die vermisst der FDP-Abgeordnete Marian Koppe seit Jahren. Die Ministerin rede und handle nicht, schimpfte der Liberale. Das Einzige, was sie in ihrer Amtszeit zustande gebracht habe, sei das Placebo Pflegepakt. Dessen Wirkungs¬losigkeit habe er im Parlament schon mehrmals zum Thema gemacht, erinnerte Tauberts schärfster Kritiker.
Moderater im Ton, aber mit der gleichen Stoßrichtung äußerte sich der Paritätische als Dachorganisation der Sozialverbände. Aus dem Ende 2012 vereinbarten Pflegepakt müsse nun ein "Pflegepaket" an Maßnahmen werden, drängte Landesgeschäftsführer Reinhard Müller. Konkret benannte er aber nur eine: eine "deutliche Anhebung der Pflegeentgelte".
Da geht Heike Taubert mit. Ihr Wunsch sei es, sagte sie, dass die Pflegebeiträge nochmals um 0,5 Prozent (der Bruttoeinkommen der Beschäftigten) angehoben werden. Das steht längst so im Koalitionsvertrag der Bundesregierung. Was Thüringen selbst regeln könnte und müsste, zählt derjenige auf, der dem "Pflegepakt" gar nicht erst beigetreten war: der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa). Er nennt einen gezielteren Ausbau von Umschulungen gemeinsam mit der Arbeitsagentur, übersichtlichere Verfahren bei der Anerkennung von Berufsabschlüssen im Ausland, nicht ganz so hohe Anforderungen an Deutschkenntnisse. Und natürlich müssten auch die Pflegeentgelte Ost endlich an die im Westen angeglichen werden. Sonst sei die Abwanderung von Pflegefachkräften kaum zu stoppen.
Bei Ausbildung und Umschulung, sagt Ministerin Taubert, gebe es durchaus Positives zu berichten. Die Zahl der Altenpflegeschüler sei gestiegen, laut Studie des Jenaer Soziologen Martin Ehrlich reichten 550 Abgänger pro Jahr. Die Zahl würde eine 20-prozentige Abwanderungsreserve beinhalten.
"Ob sie ausreicht, weiß ich nicht", kommentierte der Wissenschaftler gestern seine Berechnungen. Es gebe keine Statistik, wo die in Thüringen ausgebildeten Pflegekräfte tatsächlich landeten.
Stimmt, die gibt es nicht. Nur der Fachkräftemangel, der ist schon messbar.
Volkhard Paczulla kommentiert zur Altenpflege: Neueinstellung sofort möglich
Volkhard Paczulla