Erfurt. Die Fachaufsicht über den Verfassungsschutz kontrolliert den Inlandsgeheimdienst umfassend. Wer das dachte, wurde im Trinkaus-Untersuchungsausschuss am Freitag eines Besseren belehrt.
Im Fall des rechtsextremen V-Manns Kai-Uwe Trinkaus ist der Thüringer Verfassungsschutz offenkundig nie vom Innenministerium kontrolliert worden. "In Sachen Trinkaus ist die Fachaufsicht überhaupt nicht tätig geworden", sagte der verantwortliche Abteilungsleiter im Ministerium, Wolfgang Kalz, am Freitag vor dem Untersuchungsausschuss des Landtages in Erfurt. Er begründete das vor allem mit einem Gespräch des damaligen Innenministers Karl Heinz Gasser (CDU) mit dem damaligen Verfassungsschutz-Präsidenten Thomas Sippel im Januar 2007. Gasser soll dabei erklärt haben, dass V-Leute Sache des Präsidenten seien. Nach dieser Äußerung habe er sich als Leiter der Aufsichtsbehörde für die Sache nicht mehr verantwortlich gefühlt, sagte Kalz.
Schon grundsätzlich sei das operative Geschäft des Landesamtes für Verfassungsschutz nicht Gegenstand von Prüfungen der Fachaufsicht. "Fachaufsicht, ist nicht so, dass das eine lückenlose Kontrolle darstellt", sagte Kalz. Zudem sei der Präsident des Geheimdienstes in erster Linie dafür verantwortlich, dass und wie die Dienstvorschriften im Amt eingehalten würden. Die Dienstaufsicht habe es ohnehin sehr schwer, über die Vorgänge im Amt informiert zu sein. Auf Nachfrage des FDP-Obmanns im Ausschuss, Marian Koppe , räumte Kalz ein, dass es im Fall Trinkaus eigentlich eine Selbstanzeige des Präsidenten gegenüber der Fachaufsicht gegeben habe müsse, damit das Referat tätig geworden wäre.
Der Ausschuss soll klären, ob der ehemalige NPD-Kreisvorsitzende von Erfurt, Kai-Uwe Trinkaus, mit Billigung oder gar Unterstützung des Verfassungsschutzes versucht hat, andere Parteien und zivilgesellschaftliche Akteure zu unterwandern. Er war nach eigenen Angaben von 2006 bis 2010 für den Verfassungsschutz als V-Mann tätig. Nach Angaben des Inlandsgeheimdienstes endete die Zusammenarbeit im September 2007. Trinkaus hatte sich Ende 2012 selbst enttarnt.
Gassers damaliger Innenstaatssekretär Stefan Baldus hatte vor der Aussage von Kalz den Wert von V-Leuten in der rechten Szene für Nachrichtendienste grundsätzlich in Zweifel gezogen. "Wenn ein Nazi über den anderen etwas Schlechtes erzählt, da hab' ich nichts von", sagte er. Er und Gasser seien sich deshalb Mitte 2004 einig gewesen, statt auf V-Leute vermehrt auf technische Maßnahmen zur Überwachung von Rechtsextremen setzen zu wollen. Baldus deutete an, dass der Verfassungsschutz womöglich gegen den politischen Willen der Spitze des Innenressorts verstoßen habe, als er Trinkaus als V-Mann anwarb. Im Laufe des Tages sollte auch Sippel noch von den Abgeordneten befragt werden.
dpa