In Thüringen werden Eltern, die ihre Kleinkinder nicht in eine Krippe geben, schon seit Jahren finanziell unterstützt. Nun gibt es auf Bundesebene eine sehr ähnliche Förderung - das heftig umstrittene Betreuungsgeld. Trotzdem stemmt sich die Thüringer CDU gegen eine Abschaffung der Landesleistung.
Von Ulrike Heidenreich
"Thüringen, holdes Land, wo meine Wiege stand . . ." - schwärmerisch fährt die Hymne des Freistaats fort, besingt die Freude und die Lust, die Brünnlein und die Bächlein. Die Vorzüge ihres Landes in den höchsten Tönen loben können auch all jene Thüringer, die gerade tatsächlich eine Wiege in der Stube stehen haben.
Familien, die ihre kleinen Kinder zu Hause erziehen und keine öffentlich geförderte Krippe besuchen lassen, bekommen nämlich seit dem 1. August nicht nur das bundesweite Betreuungsgeld überwiesen. Nein, es gibt das Thüringer Landeserziehungsgeld (LEZ) noch oben drauf - doppelt gemoppelt, bundesweit einzigartig.
Das SPD-geführte Sozialministerium wollte das LEZ eigentlich schleunigst abschaffen, um Doppelzahlungen zu vermeiden. Der Koalitionspartner CDU mit Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht an der Spitze gibt aber partout nicht nach. Das zeigt, welche Bedeutung das selbst innerhalb der Union nicht von allen geliebte Betreuungsgeld in Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene bekommen könnte.
Das Thüringer LEZ diente der CSU als Vorbild für das umstrittene Betreuungsgeld: Es wird anders als ähnliche Leistungen in drei weiteren Bundesländern unabhängig vom Einkommen gezahlt.
Seit sieben Jahren werden Familien zwischen Harz und Thüringer Vogtland mit bis zu 300 Euro monatlich gepampert: Im Anschluss an das Elterngeld erhalten sie vom 13. beziehungsweise 15. Lebensmonat des Kindes an 150 Euro, wenn sie keinen Krippenplatz in Anspruch nehmen. Handelt es sich um das zweite Kind, steigt der Betrag auf 200 Euro, beim vierten Kind sind es 300 Euro. Dazu kommt das Kindergeld - und seit August eben das Betreuungsgeld mit pauschal 100 Euro.
"Eine schwierige Situation"
Die SPD musste die "Kröte Landeserziehungsgeld", wie es die Abgeordnete Birgit Pelke nennt, 2009 bei den Koalitionsverhandlungen schlucken. Ungeachtet wissenschaftlicher Studien, die negative Auswirkungen auf die Berufstätigkeit von Frauen und die Betreuungsquote von Zweijährigen ausgemacht haben, wird das Projekt durchgezogen. 40 Millionen Euro stehen im Doppelhaushalt bereit.
Für Marian Koppe von der FDP-Fraktion ist das geradezu skandalös. Mit mehreren Gesetzesinitiativen gegen das LEZ ist er bereits baden gegangen. Die Doppelförderung hält er für "unsinnig und unfair" - auch im Hinblick auf andere Bundesländer. "Wir sind ein Nehmerland und müssen aufpassen, was mit den Geldern aus dem Länderfinanzausgleich geschieht."
Dem Sprecher im Erfurter Sozialministerium ist die Sache sichtlich unangenehm, er murmelt etwas von Koalitionszwang und sagt: "Eine schwierige Situation." Die Hoffnung, im Lande würde es sich nicht herumsprechen, dass es zusätzlich Betreuungsgeld gibt, hat sich auch zerschlagen. Nach Anlaufschwierigkeiten bei der Antragstellung sind es inzwischen gut 450 Familien, die doppelte Gelder beantragt haben, Tendenz schnell steigend.
Selbst die Thüringer CDU-Bundestagsabgeordnete Carola Stauche spricht von einem "unglücklichen Umstand", beharrt aber darauf, dass das LEZ so lange nicht abgeschafft wird, bis sicher ist, dass das Betreuungsgeld in einer neuen Berliner Regierung Bestand hat. So lange lohnt es sich doppelt, eine Wiege in Thüringen stehen zu haben.