Einfach alles so beibehalten wie es ist oder das "Gesetz zur Förderung der Teilnahme an Früherkennungsuntersuchungen für Kinder" grundlegend überarbeiten: Zwischen diesen beiden Standpunkten, für die die Linke einerseits und andererseits die FDP stehen, gibt es jetzt eine Debatte, in die auch die Grünen eingreifen.
Erfurt. Deren Fraktionschefin Anja Siegesmund rät von einer schnellen Entfristung des Gesetzes ab. Sie plädiert dafür, dass zunächst eine Bewertung stattfindet und deren Ergebnisse vorgestellt werden. Es gehe im Kern weder darum, dem Rechnungshof ein Schnippchen zu schlagen durch schnelle Reaktion im Parlament, noch darum, sich in erster Linie um die Mängel bei der Vergütung der involvierten Ärzte zu sorgen, macht Siegesmund im Gespräch mit unserer Zeitung deutlich.
Für sie sei das Kindeswohl entscheidend. Denn darum ranke sich das Gesetz. Es sei schließlich dazu gedacht jenen Kindern zu helfen, deren Eltern bei den nötigen Früherkennungsuntersuchungen säumig sind - und die deshalb nicht nur einen Brief als mahnenden Hinweis, sondern auch möglicherweise Unterstützung bei ihrer Erziehungsaufgabe benötigen.
Jetziges Früherkennungsgesetz ist "Bürokratiemonster"
Die Linke ist offenbar vorgeprescht mit ihrem Anstoß, jetzt das zunächst bis Ende 2013 befristete Gesetz zu den Früherkennungsuntersuchungen zu einer Dauereinrichtung werden zu lassen. Für die FDP, wie Grüne und Linke ebenfalls in der Opposition, steht bereits fest: Das jetzige "Früherkennungsgesetz ist ein Bürokratiemonster".
Mit diesem Schlagwort geht Marian Koppe , gesundheitspolitischer Sprecher der FDP, in die Diskussion. Die Intention des Gesetzes sei zwar richtig, die gesundheitliche Vorsorge für Kinder solle gestärkt werden. Nur sei das ganze Gesetz offenbar handwerklich ein Flop: Daher lägen inzwischen zahlreiche Beschwerden von Eltern, Ärzten und Verbänden vor, betont Koppe.
Bürokratiemonster heißt für ihn: Das Meldeverfahren zwischen Vorsorgezentrum, Jugendamt, Eltern und Arzt ist viel zu aufwändig, um eine fristgerechte Früherkennungsuntersuchung zu gewährleisten. Außerdem verschickt nach seinen Angaben das Vorsorgezentrum die Mahnungen oftmals viel zu spät und die Jugendämter informieren demnach selten korrekt über die zeitlichen Nachholfristen, macht er deutlich.
"Dies führt dazu, dass letztlich die Ärzte ihre erbrachten Leistungen nicht vergütet bekommen. Abgesehen davon, dass ihnen auch der bürokratische Aufwand des Meldesystems nicht erstattet wird - anders als in anderen Bundesländern", betont der Liberale. Entfristung einfach nur so: Das hält er nicht für sinnvoll. Es sei jetzt an der Zeit, die Möglichkeit zur Verbesserung des gesetzlich bisher vorgegebenen Verfahrens zu nutzen.
Werden Gefährdete überhaupt erreicht?
Für Siegesmund von den Grünen denkt "die FDP zu kurz: An erster Stelle steht die Frage des Kindeswohls", macht sie deutlich. Auch an der Linken übt sie Kritik: Es frage sich doch, ob die einfach Entfristung in diesem Sinne dem Kindeswohl nutze? Die Antwort aus der Sicht von Siegesmund: Entfristung allein ist keine gute Lösung. Es muss mehr passieren. Die Zeit dränge auch nicht: Zehn Monate bleiben noch bis zum bisherigen Fristende. Verwunderlich für Siegesmund: Die Linke tritt in diesem Punkt nicht mit dem Anspruch an, das Gesetz bei der Gelegenheit auch gleich entfristen zu wollen. Hintergrund sei offenbar, dass der Rechnungshof auch in diesem Punkt der Landesregierung auf die Finger klopfe, ob Thüringen zu viel oder zu wenig bei diesen Untersuchungen ausgebe. "Das steht aber doch gar nicht im Vordergrund. Dort muss stehen: Was ist das Beste für das Kindeswohl?!", gibt sie im TLZ-Gespräch zu bedenken.
Das herauszufinden ist Aufgabe der Evaluation. So stehe es auch in der Landeshaushaltsordnung. Bisher sei ihr aber noch nicht einmal bekannt, ob dies bereits vorliegt. Deshalb hat sie auch in einer Anfrage an die Regierung jetzt genau dies zum Thema gemacht. Sie will mehr über die Erfolgskontrolle wissen und zielt mit ihren Fragen auf die "Weiterentwicklung des Kinderschutzes". Für Siegesmund ist klar: Bei diesem Gesetz "muss jetzt die Regierung ihre Arbeit machen".
Beschwerden von Eltern über das Einlade- und Meldeverfahren - über die auch Koppe von der FDP berichtet hatte - kennen auch die Grünen. Zudem weiß Siegesmund als Mutter selbst, "dass man nicht nur einen, sondern oft mehrere Brief erhält, wenn es um die Einladung zur Früherkennungsuntersuchung geht".
"Gesetz sollte nicht holterdiepolter entfristet werden"
Dabei müsse gefragt werden: "Was steht beim Thema Früherkennungsuntersuchungen auf dem Papier - und wen erreichen wir damit?" Damit zielt sie vor allem auf die Frage, ob die bisherige Prozedur tatsächlich geeignet ist, denjenigen zu helfen, bei denen das Kindeswohl tatsächlich gefährdet ist, so Siegesmund.
Deshalb sollte das Gesetz nun nicht "holterdiepolter entfristet", sondern das ganze Verfahren im Detail betrachtet und dann die nötige Schlussfolgerung gezogen werden. Es könne nicht sein, dass sich "Sozialpolitiker jetzt drängeln lassen, nur weil vom Rechnungshof etwas im Gange ist", schätzt sie ein.
Für Siegesmund geht die Debatte über das Land hinaus: Der Kinderschutz eigne sich nicht für Klein-Klein. Erst wenn die nötigen Erkenntnisse vorliegen, könnten die nächsten Schritte geplant werden. "Alles andere hieß doch, das Kind mit dem Bade auszuschütten", sagt sie.