Sozialpolitik

Mit einer Mischung aus Prävention und Repression versuchen Behörden und Verbände, den Alkoholmissbrauch durch Kinder und Jugendliche einzudämmen - durchaus mit Erfolgen. Sozialministerin Heike Taubert würde am liebsten auch Thüringer Tankstellen verbieten, nachts Alkohol zu verkaufen - in Baden-Württemberg hat sich ein solches Modell bewährt.

Erfurt. Trinken bis der Arzt kommt: Das scheint derzeit bei Kindern und Jugendlichen nicht mehr so verbreitet wie noch vor Jahren. Das geht aus der Antwort auf die Fragen hervor, die jüngst der FDP-Landtagsabgeordnete Marian Koppe an die Landesregierung gerichtet hat.

Als "Binge-Drinking" machte dieser Sturztrunk in den vergangenen Jahren die Runde - gemeint sind damit fünf alkoholische Getränke, die sich die jungen Leute in unmittelbarer Folge zuführen. Die Gefahr kann tödlich sein. Manche Jugendliche werden von ihren Saufkumpanen liegen gelassen, wenn sie im Rausch nicht mehr weiterkönnen.

Über sie weiß man, wenn es nicht zu weiteren gesundheitlichen Folgen kommt, wenig. Klar sind die Zahlen aus der Krankenhausstatistik: Im Jahr 2005 wurden 104 Zehn- bis 15-Jährige in Thüringen mit Alkoholvergiftung ins Krankenhaus gebracht. Im Jahr 2010 waren es 86. Bei den 15- bis 20-Jährigen ging die Zahl derer, die sturzbetrunken in die Klinik mussten, von 419 im Jahr 2005 auf 371 im Jahr 2010 zurück. Es liegen allerdings keine Angaben darüber vor, ob damit auch der Prozentsatz geschrumpft ist. Immerhin ist die Zahl der Kinder und Jugendlichen generell rückläufig ...

Bei einer Befragung haben Schüler der Klassen 9 und 10 in den Jahren 2003 und 2011 in Bayern, Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen eingeschätzt, dass das Sturztrinken zurückgegangen sei. Mehr als die Hälfte der Befragten allerdings weiß um diesen Alkoholmissbrauch.

Das Thema wird auch im Thüringer Gesundheitszielprozess ins Visier genommen. Damit die Zahl der Zwölf- bis 17-Jährigen, die sich rasch berauschen, weiter zurückgeht, soll ein "gesellschaftliches Problembewusstsein und die Wahrnehmung sozialer Verantwortung durch den Einzelnen, soziale Gruppen, Institutionen, Wirtschaft, Verkaufsstellen und Medien weiter ausgebaut werden", heißt es in der Antwort von Sozialministerin Heike Taubert (SPD) auf Koppes Anfrage. Es müsse zudem gerade bei Kinder und Jugendlichen das Problembewusstsein für die Sofort-, aber auch die Langzeitwirkung von Alkohol verbessert werden. Zudem soll die Rate der Jugendlichen und Kinder, die wegen Alkoholvergiftung ins Krankenhaus müssen, weiter verringert werden.

Mit Rauschbrille und Begleitprojekt Erfolge erzielt

Das Land tut einiges, damit die Alkoholprävention verbessert wird und das schlägt sich auch in finanzieller Unterstützung nieder etwa für die Suchthilfe in Thüringen, die Christlichen Wohnstätten in Schmalkalden, die Landesstelle für Suchtfragen, den Verein praevenio oder Wendepunkt. Wichtig waren dabei etwa Projekte für Kinder aus Suchtfamilien. Es gab die Null-Promillo-Show der Thüringer Sportjugend, den Einsatz des Rauschbrillen-Parcours und das Projekt "BOB", das sich an junge Erwachsene wendet, die als nüchterne Fahrer Kinder und Jugendliche transportierten.

Auf die Frage nach der Bewertung der Effizienz solcher Maßnahmen und Projekte verweist Taubert darauf, dass die Wirkung von Prävention "nur bedingt messbar" sei, das es "keine verlässlichen Erfolgsindikatoren gibt". Für Thüringen habe sich aber die Kombination von Ansätzen der Verhaltensprävention und struktureller Maßnahmen bewährt.

Offenbar Wirkung gezeigt hat die Regelung im Thüringer Gaststättengesetz, die seit Ende 2008 verbietet, alkoholische Getränke so massiv anzubieten, dass Kampftrinken die Folge ist. Die Zahl der sogenannten "Flatrate-Party", die Saufen zum Festpreis in Aussicht stellen, seien seither "nachdrücklich zurückgegangen", so Taubert. Insgesamt sind seither nur eine Handvoll Verstöße in Thüringen registriert worden. Die unteren Gewerbebehörden sehen das auch als einen Erfolg ihrer präventiven Gespräche mit Veranstaltern.

Allerdings wird deswegen nicht unbedingt weniger getrunken: Die Erfahrung zeige, dass Jugendliche inzwischen häufiger Alkohol von Zuhause mitbringen oder sich diesen von Erwachsenen aus dem Handel mitbringen lassen. Maßlos getrunken wird dann eben nicht in der Gaststätte, sondern außerhalb. Gerade deshalb seien Kontrollen im Umfeld wichtig.

Mit Blick auf dieses Problem richtet die Sozialministerin ihren Blick auch auf Baden-Württemberg: Dort ist es inzwischen verboten, von abends 22 Uhr bis morgens um fünf Alkoholika an Tankstellen zu verkaufen und zwar unabhängig vom Alter des Kaufinteressenten. Das habe sich "nachweislich positiv" ausgewirkt: Es ist nun gerade auch für Jugendliche und junge Erwachsene deutlich schwerer, mitten in der Nacht an größere Mengen Alkohol zu kommen.


Gerlinde Sommer / 13.02.12 / TLZ

13.02.2012 TLZ - Thüringische Landeszeitung