Was machen eigentlich die Ausschüsse im Landtag? Dieser Frage ging die TLZ mit einer Serie in den vergangenen Monaten nach. Gefragt wurden die jeweiligen Ausschussvorsitzenden. Die Ausschussarbeit findet weiterhin nicht-öffentlich statt, zugleich werden aber in den Ausschüssen viele Weichen für das Land und seine Bürger gestellt.

Erfurt. Ganz neu ist der Europa-Ausschuss unter Leitung von Jörg Kubitzki (Linke), der jetzt den Abschluss dieser Serie bildet.

Warum musste dieser neue Europa-Ausschuss eingerichtet werden?

Am 1. Dezember 2009 trat der von den 27 Mitgliedsstaaten unterzeichnete neue Grundlagenvertrag der EU, der Lissaboner Vertrag, in Kraft. Dieser Vertrag ermöglicht den Mitgliedsländern der EU mehr Mitspracherecht bei europäischen Entscheidungen. Auf Grund unseres föderalen Systems in der Bundesrepublik haben demzufolge auch die Bundesländer über den Bundesrat europapolitische Entscheidungskompetenz. Wegen dieser neuen Herausforderungen ist mit Zustimmung aller im Thüringer Landtag vertretenen Fraktionen, zwischen der Landesregierung und dem Thüringer Landtag eine Vereinbarung über die Unterrichtung und Beteiligung des Landtages in Angelegenheiten der Europäischen Union unterzeichnet worden. Darin verpflichtet sich die Landesregierung, den Landtag über alle Vorhaben der EU, die die Interessen des Freistaates berühren zu informieren. Gleichzeitig verpflichtet sich die Landesregierung nicht entgegen dem Votum des Landtages im Bundesrat zu entscheiden. Damit diese Vereinbarung umgesetzt werden kann, beschlossen alle Fraktionen im Landtag den Europaausschuss zu bilden.

War es schwierig, dafür Ausschussmitglieder zu finden?

Nein, weil europapolitische Fragen schon immer im Landtag eine wichtige Rolle gespielt haben. So gibt es eine Faustregel, dass 80 Prozent von Entscheidungen die wir sowohl auf Landes- als auch auf kommunaler Ebene treffen müssen, mit europäischen Richtlinien und Verordnungen zusammenhängen. In jeder Fraktion des Landtages gibt es europapolitische Sprecher. Diese arbeiteten im bisherigen Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten zusammen. Auf Grund der oben dargelegten Aussagen sind sie nun Mitglieder des neuen Europaausschusses...

Welche Aufgaben hat der neue Ausschuss?

Er befasst sich entsprechend der Vereinbarung zwischen Landtag und Landesregierung mit allen europapolitischen Themen, die Einfluss auf unseren Freistaat haben. Das beginnt bei der europäischen Förderpolitik und endet bei Richtlinien, welche Einfluss auf unser tägliches Leben haben.

Übrigens befasst sich der Ausschuss auch mit Fragen der Medienpolitik und mit Bundesangelegenheiten.

Es heißt, dieser Ausschuss müssen schneller arbeiten und zu Ergebnissen kommen als andere Ausschüsse. Warum ist das so?

Das stimmt. Im Lissaboner Vertrag wurde eine Frühwarnsystem eingebaut. Wenn die EU eine Richtlinie zum Beispiel wie kürzlich geschehen über mehr Energieeffizienz erlässt, so haben die Mitgliedsstaaten acht Wochen Zeit darüber zu entscheiden, ob diese Richtlinie in ihre Länderhoheit eingreift. Ist dies der Fall, so können die Bundesländer über den Bundesrat von ihrem Einspruchsrecht Gebrauch machen und die EU muss diese Richtlinie neu überarbeiten. Diese Acht-Wochen-Frist ist sehr kurz. Der Europaausschuss ist deshalb der einzige Ausschuss im Landtag der die Befugnis hat, den anderen Fachausschüssen Weisungen zur Mitberatung von aktuellen EUVorhaben zu erteilen. Und der Ausschuss ist berechtigt Beschlüsse zu fassen, die entsprechen der schon genannten Vereinbarung Einfluss auf das Handeln der Landesregierung hat.

Warum hat die Linke den Vorsitz übernehmen dürfen?

Entsprechend der Stärke der einzelnen Landtagsfraktionen, welche Ausdruck des Wahlergebnisses sind, wird über ein Zählverfahren einerseits die Anzahl der einzelnen Ausschussmitglieder aus den einzelnen Fraktionen also auch der Vorsitz des jeweiligen Ausschusses festgelegt. Und entsprechend dieses Zählverfahrens nach dHondt, hatte jetzt die Fraktion Die Linke Vorschlagsrecht für den Ausschussvorsitz. Ich möchte aber auch betonen, das der Vorsitzende eines Ausschusses immer durch die Ausschussmitglieder letztlich gewählt wird.

Alle reden von den Rettungsschirmen und vom Euro: Hat Ihr Ausschuss auch auf solche Fragen Einfluss? Oder ist vielmehr so, dass sich Ihr Ausschuss mit den Folgen dieser Krisenpolitik herumschlagen muss in der Zukunft?


Wenn Beschlüsse zur Eurorettung unmittelbaren Einfluss auf die Gesetzgebung in Thüringen hätten, dann müssten wir aktiv werden. Das ist aber bisher noch nicht der Fall. Inwieweit wir uns mit Folgen der Krise beschäftigen müssen, bleibt abzuwarten.

Gestatten Sie mir, dazu meine persönliche Meinung zu sagen: Solange für die Bundesregierung Eurorettung, Rettung der Banken, also Rettung der Verursacher der Eurokrise bedeutet, solange werden wir als Bürger die Folgen zu spüren bekommen.

Eine persönliche Frage: Glauben Sie, dass wir in zehn Jahren noch mit dem Euro bezahlen oder kehren wir zu den Landeswährungen zurück?

Ich bin überzeugt, dass wir beim Euro bleiben. Eine Rückkehr zu den Landeswährungen hätte für die Menschen in allen Mitgliedsstaaten verheerende Folgen und würden die sozialen Unterschiede noch verschärfen. Es muss endlich mit den Spekulationsgeschäften der Banken Schluss sein. Deshalb begrüße ich auch die Absicht der Europäischen Kommission, zur Verbesserung der Einnahmesituation der EU, eine Transaktionssteuer einzuführen.

Zur Sache: Den Freistaat im Blick

Der Europaausschuss, der auch für Bundes- und Medienangelegenheiten zuständig ist, befasst sich mit allen Angelegenheiten der EU, die den Freistaat betreffen. An der Spitze steht Jörg Kubitzki von den Linken; seine Stellvertreterin ist Dorothea Marx (SPD). Im Ausschuss sind Gustav Bergemann , Fritz Schröter , Klaus Zeh (alle CDU), André Blechschmidt (Linke), David Eckardt (SPD); Marian Koppe (FDP) und Carsten Meyer (Grüne).



18.10.2011 TLZ - Thüringische Landeszeitung