Es herrscht Skepsis gegenüber den Rentenplänen. Thüringens Sozialpolitiker begrüßen indes die Initiative zur Einführung von Mindestrenten, kritisieren aber die Details.
Erfurt. Die Pläne der Bundesregierung, Geringverdienern eine Mindestrente unter der Bedingung zukommen zu lassen, wenn sie ihr ganzes Leben gearbeitet haben, stoßen in Thüringen auf ein geteiltes Echo. "Die Richtung stimmt, aber die Nebenbedingungen gehen an der Lebenswirklichkeit in den neuen Ländern völlig vorbei", sagt etwa Stefan Werner vom Päritätischen Wohlfahrtsverband Thüringen.
Arbeitsministerin Ursula von der Leyen will bereits ab 2013 eine Zuschussrente für Geringverdiener von 850 Euro einführen. Diesen Vorschlag stellte sie gestern zum Start des "Regierungsdialogs Rente" den Vertretern von Sozialversicherung und Wohlfahrtsverbänden vor.
Dabei knüpft die Bundesregierung die Zahlung an bestimmte Bedingungen wie etwa eine 45-jährige Mitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung. Ausbildungs- und Krankheitszeiten sowie Phasen von Arbeitslosigkeit sollten angerechnet werden.
Dem stellt Werner die aktuellen Rentenstatistik entgegen. Denn eine Altersversorgung, die den heute schon als Grundsicherung definierten 684 Euro entsprächen, erreiche etwa in Thüringen nur, wer 45 Jahre im Durchschnitt zehn Euro Stundenlohn verdient hat. "Und das bei einer 38,5 Stundenwoche."
Rasche Angleichung der Altersversorgung verlangt
Der Paritätische Wohlfahrtsverband fordert daher eine Aufstockung der Mindestrente, ohne feste Bedingungen. "Ob jemand sich sein Leben lang um Arbeit bemüht hat oder eben nicht, lässt sich beim Blick auf den Lebenslauf feststellen, selbst wenn er Lücken aufweisen sollte", sagt Werner.
Unterstützung bekommt der Wohlfahrtsverband fraktionsübergreifend von führenden Sozialexperten der Landespolitik. "Reine Augenwischerei", formuliert etwa die familienpolitische Sprecherin der Linken, Margit Jung .
Thüringens Sozialministerin Heike Taubert (SPD) will nicht nur "denen helfen, die arbeiten wollten, aber nicht konnten," Ohne die parallele Einführung von Mindestlöhnen werde auch das Konzept der Bundesregierung der Altersarmut von morgen nicht begegnen können.
Steffen Fauth vom Verband der Wirtschaft Thüringens betrachtet die Vorschläge als "sinnvolle Ergänzung im Rentensystem". Jedoch dürfe ein solcher Zuschuss nicht die Rentenbeiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern belasten. Zudem müssten etwa Einkünfte aus Vermietung oder auch die gegebenenfalls höhere Rente des Lebenspartners auf die Aufstockungsbeiträge angerechnet werden.
Marian Koppe (FDP) nennt von der Leyens Pläne dagegen "weltfremd." Die Arbeitsmarktsituation in den neuen Ländern werde nicht berücksichtigt. "Wenn man ernsthaft Verbesserungen angehen will, dann sollten die Renten angeglichen werden", so der Freidemokrat.
Der Forderung schließt sich auch Christian Gumbrecht (CDU) an. Er warnt allerdings davor, die Vorschläge der Bundesregierung vorschnell zu zerreden. "Es ist eine Diskussionsgrundlage." Über Details lasse sich verhandeln.
Matthias Thüsing / 09.09.11 / TA