Sozialpolitik

Seit einem Jahr greift das neue Kita-Gesetz. Die Bilanz ist strittig. Für die SPD sind 1200 neue Erzieherinnen ein Erfolg, für Linke und Grüne zu wenig. Ihre Klage: Vieles klemmt bei der Umsetzung.

Von Georg Grünewald

Erfurt-Manchmal sind es die Kleinigkeiten, die Mängel symbolisieren. Für Margit Jung, dier familienpolitische Sprecherin der Linke-Fraktion, ist der jüngste Flyer des Landesamtes für Statistik eine solche Kleinigkeit. "Bildung in Thüringen" ist er überschrieben. Nur: Er beginnt mit der Schule. Kitas und frühkindliche Bildung kommen gar nicht vor.

Symptomatisch, meint Jung. Denn für die Linke-Politikerin ist das Hauptproblem, dass Kitas immer noch nicht als Bildungseinrichtungen anerkannt werden. Und die Qualität der frühkindlichen Bildung falle immer weiter zurück. Trotz des neuen Kita-Gesetzes, das vor einem Jahr in Kraft getreten ist. Denn vieles sei dort nicht geklärt. Etwa die individuelle Förderung von Kindern. Dann streiten sich oft Jugend- und Sozialamt über die Kompetenzen und die Kosten, hat Jung erfahren.

Aber selbst das, was im Gesetz geklärt ist, funktioniere vielfach nicht. Etwa die Sache mit dem Personal. Laut Gesetz sei Ende März der Stichtag für den Personalschlüssel. In den Kitas werde er aber von Monat zu Monat neu berechnet. Schon damit, dass ein Kind älter wird, könne sich der Personalschlüssel verschlechtern, obwohl die Anzahl der Kinder gleich bleibt, klagt Jung. Hier müsse sich die Landesregierung zu dem bekennen, was angedacht war. Überhaupt: Die angekündigte Schaffung von 2000 Erzieherstellen lasse auf sich warten. Nur 1220 neue Stellen weise die Statistik zum 1. März 2011 aus, kritisiert Jung. Und davon seien nur 1000 tatsächlich auf das Gesetz mit seinem verbesserten Personalschlüssel zurückzuführen.

Zudem sieht die Linke-Politikerin das Hauptziel des Gesetzes - die Unterschiede in der Kinderbetreuung zu beseitigen - nicht erreicht. So falle die Qualität der Fachberatung sehr unterschiedlich aus. Es gebe Kommunen, die das Geld vom Land einfach einstreichen, ohne es in die Fachberatung zu investieren. Es gebe aber auch freie Träger, denen die Kompetenz für die Fachberatung fehle. Die Folge: Niveauunterschiede in der Fortbildung, die mit dem Gesetz verbessert werden sollten. Dazu falle die Bezahlung der Erzieher sehr unterschiedlich aus. Die Gehaltsunterschiede betrügen - je nach Träger - zwischen 600 bis 1000 Euro, hat Jung auf Personalrätekonferenzen erfahren. Und die Elternbeiträge klafften weit auseinander. Kein Wunder, meint Jung. Denn das Gesetz sei nicht durchfinanziert. Die Hälfte der angekündigten Gelder für die Kindergärten sei in den großen Topf der Schlüsselzuweisungen für die Gemeinden gewandert. Vor Ort fehle damit die Transparenz, wie hoch die Gesamtzuschüsse des Landes für die Kindergärten einer Kommune tatsächlich sind. Das ermögliche Spielräume, das Geld anderweitig zu verplanen und die Elternbeiträge für die Kitas zu erhöhen.

Auch Grünen-Sozialpolitikerin Astrid Rothe-Beinlich teilt viele Kritikpunkte Jungs. Das Land müsse "deutlich mehr Anstrengungen unternehmen, um die Vorgaben im Kitagesetz rasch umzusetzen", meint sie und fordert einen Zeitplan, bis wann die 2500 zusätzlichen Erzieherstellen erreicht werden können. Für die SPD-Familienpolitikerin Birgit Pelke gibt es den bereits - nämlich im Gesetz. Bis zum 1. August 2013 haben die Träger Zeit, den neuen Personalschlüssel zu erfüllen, erinnert sie. Für Pelke sind die derzeit 1200 neuen Stellen deshalb auch "kein Problem, sondern ein großer Erfolg". Das "Sommerlochtheater" der Linken sei daher fehl am Platz. Und FDP-Sozialpolitiker Marian Koppe meint, man dürfe nicht nur fordern, sondern müsse auch ein Konzept zur finanziellen Absicherung vorlegen. Aber er gibt der Linken auch Recht: Die Abwälzung der Kosten auf die Kommunen und die Eltern sei unsozial und konterkariere das Anliegen der Reform.


02.08.2011 Freies Wort