Anträge von Linken und FDP, die Landesstiftung aufzulösen, hatten im Parlament dank SPD-Stimmen keine Chance. Ministerin Taubert verspricht Stellungnahme der Regierung bis Mitte Juli. Zeh spricht von "Anlaufschwierigkeiten".
Von Volkhard Paczulla
Erfurt. Christian Gumprecht (CDU) lässt sich nicht beirren. Die Stiftung Familiensinn, Ende 2005 als Teil der CDU-Familienoffensive ausgerufen, hält der Altenburger Landtagsabgeordnete noch immer für einen "Glücksfall".
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Anja Siegesmund, fand gestern im Parlament Spaß an dem Wort. Kein Glücksfall, sagte sie, sondern "ein Spezialfall der Irrungen und Wirrungen der Regierung Althaus" sei diese Landesstiftung. Es waren die Grünen, die den Landesrechnungshof in Rudolstadt gebeten hatten, sich mit "Familiensinn" eingehend zu beschäftigen.
Als die OTZ dann im April das Ergebnis eines internen Zwischenberichts der Prüfbehörde veröffentlichte, war die Aufregung groß. Denn die Rudolstädter Juristen behaupteten, den Stiftungszweck von "Familiensinn" zu erfüllen, sei rechtlich unmöglich. Das Land hätte die Aufgaben nach bundesrechtlichen Vorgaben nicht an Dritte übertragen dürfen.
Seitdem prüft das Sozialministerium, ob sich das Land dieser Auffassung anschließen muss. Wäre Ressortchefin Heike Taubert (SPD) noch Opposition, sie hätte wohl nicht gezögert. So aber bat sie um Fristverlängerung, die Sachlage sei kompliziert. Bis spätestens 15. Juli will sie eine Stellungnahme vom Kabinett beraten lassen, legte sie sich gestern im Landtag fest. Dass die SPD noch immer zu ihrer ursprünglichen Ablehnung der Stiftung steht, durfte Fraktionskollegin Birgit Pelke sagen. Ministerin Taubert ist inzwischen qua Amt Präsidentin von "Familiensinn" geworden.
Während die Sozialdemokraten also zwischen die Stühle geraten sind, legen FDP und Linke kräftig nach. Die einen beantragten Abschaffung der Stiftung, die anderen Annullierung. Das Ergebnis wäre sicherlich dasselbe, sagte Linke-Sozialpolitikerin Margit Jung aus Gera. Mit Annullierung wolle ihre Fraktion aber ausdrücken, dass diese Stiftung so hätte niemals errichtet werden dürfen. Schon gar nicht mit 34 Millionen Euro Grundkapital, schimpfen die Freidemokraten. Würde das Stiftungsvermögen zurück an den Landeshaushalt gehen, rechnete der FDP-Abgeordnete Marian Koppe vor, könnte sich CDU-Finanzminister Wolfgang Voß obendrein 1,8 Millionen Euro Schuldzinsen sparen. Schließlich habe das verschuldete Land für die Stiftungsausstattung Kredite aufgenommen.
Dem widersprach Klaus Zeh (CDU) vehement. Er war damals der zuständige Sozialminister: "Wir hatten im Haushalt Rücklagen gebildet, es gibt also keine Schuldzinsen wegen der Stiftung." Im Übrigen könne er die ganze Aufregung nicht verstehen. Das Land habe doch mehrere Stiftungen, und Anlaufschwierigkeiten gebe es fast immer. Außerdem werde in der Debatte der Grund für die Errichtung von "Familiensinn" vergessen: Familienbildung und -unterstützung sollte nicht mehr unter das jährliche Gefeilsche um Haushaltsmittel fallen, sondern unabhängig vom Landesetat finanziert werden können.
Ein bisschen sehr unabhängig. Dass die Parlamentarier kaum noch Kontrolle über das Finanzgebaren der Stiftung haben, war ja der Grund, den Rechnungshof auf den Plan zu rufen. Die CDU-Kritik an den Kontrolleuren, namentlich durch Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht, regte FDP-Mann Koppe besonders auf. Prüforgane rüde anzugehen, nur weil sie ihre Arbeit machen, sei "skandalös".
Die Anträge von FDP und Linken wurden gestern abgelehnt. Mit Lob überschüttete die CDU/SPD-Mehrheit dagegen die Grünen. Deren Antrag, erst einmal eine rechtliche Neubewertung vorzunehmen, fand ungehindert den Weg in den
Sozialausschuss.
Kommentar
Stifter und Anstifter
Volkhard Paczulla über den Streit um die Familien-Stiftung, der kein rein juristischer ist
Es gab Warnungen. Ein reges Hin und Her von E-Mails zwischen Ministerien belegt, dass Fachleuten schon damals mulmig war, als die Stiftung Familiensinn errichtet wurde. Weil immer noch der alte juristische Grundsatz gilt: Reichsrecht bricht Landesrecht. Die CDU-Fraktion beschäftigt auch Juristen. Die wollen einen Fehler im Einspruch des Landesrechnungshofs gefunden haben. Einen dicken Fehler. Was zwischenzeitlich die CDU-Regierungschefin Lieberknecht ermunterte, dem Rechnungshof eine öffentliche Blamage zu attestieren. Doch wäre es an dem, warum dauert dann die offizielle Reaktion der Landesregierung so lange? Niemand außer der CDU Alleinregierung hatte diese Stiftung gewollt. Das Hauptargument, so sichere man dauerhaft Geld zur Hilfe für Familien, ist fadenscheinig. Wer politisch
dieses Ziel verfolgt, findet auch die finanziellen Mittel dafür. Wer denn sonst, wenn nicht die Regierenden?
Die kongenialen Strippenzieher von einst lassen sich politisch kaum mehr bestrafen. Sie sind abgetaucht oder nur noch einfache Abgeordnete. Jetzt geht es lediglich noch um Schadensbegrenzung.