Erfurt. In die Versorgungslücken, die fehlende Ärzte in ländlichen Regionen reißen, könnten die Krankenhäuser springen.
Die meisten der 44 Kliniken in Thüringen wären froh, in den niedergelassenen Bereich vorstoßen zu können, sagte gestern in Erfurt der Gesundheitspolitiker der SPD-Landtagsfraktion, Thomas Hartung . Er kritisierte Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP), der "mit hohem Geldaufwand" versuche, die teure Doppelstruktur von angestellten Klinikmedizinern und niedergelassenen Ärzten aufrecht zu erhalten. Gleichzeitig werde über Budgetierung ärzlicher Leistungen versucht, die Kosten zu dämpfen. "Das ist wie Gas geben mit angezogener Handbremse", sagte Hartung, der selbst Arzt ist. Er warb dafür, praktizierenden Ärzten zumindest in künftig unterversorgten Regionen so viele Patienten behandeln zu lassen, wie sie können. Noch sei Ärztemangel in Thüringen kaum spürbar, so dass Zeit für einen Strukturwandel bleibe.
Erwartungsgemäß heftig reagierte FDP-Gesundheitspolitiker Marian Koppe auf Hartungs Vorschläge. Was der im Vorjahr von der Linken zur SPD gewechselte Chirurg "Schlagwort" nennt, nämlich den Grundsatz "ambulant vor stationär", habe viele Patienten davor bewahrt, nach dem Erstkontakt gleich in einem Krankenhaus zu landen. Hartung wünsche sich "paradiesische Zustände für die Krankenhausbetreiber", schimpfte Koppe und unterstellte der SPD, den freiberuflichen Arzt durch ein staatliches Gesundheitssystem ersetzen zu wollen. Mit Folgen, die noch gut aus DDR-Zeiten in Erinnerung seien.
Was Hartung nicht erwähnte: Die CDU/SPD-Koalition will noch in diesem Jahr das Thüringer Krankenhausgesetz novellieren. Dabei geht es um Leistungsbeschreibungen der Häuser und verbindlich festzulegende Mindestvorgaben zur Strukturqualität. Das Vorhaben war in der vorigen Legislaturperiode liegengeblieben. Schon bei der Erarbeitung des seit Jahresbeginn geltenden 6. Thüringer Krankenhausplans hatte der Verband der Ersatzkassen (Vdek) vorgeschlagen, schlecht ausgelastete Fachabteilungen der Kinderheilkunde sowie der Gynäkologie und Geburtshilfe zu konzentrieren. Sozialministerin Heike Taubert (SPD) folgte dem nicht. Auch von der Schließung kleiner Krankenhäuser wegen des Bevölkerungsrückgangs will sie nichts hören. "Vielleicht braucht nicht jedes Kreiskrankenhaus ein Herzkatheterlabor", sagte Hartung gestern. Aber auch die kleinen Fachabteilungen hätten ihre Berechtigung.
Der Vdek kommt nach Auswertung von Qualitätsberichten zu dem Schluss, dass Fachabteilungen unter 16 Betten eine lückenlose Versorgung durch Fachärzte nicht sicherstellen können.