Hartz IV für eine Aktuelle Stunde im Landtag zu wählen war riskant. Die Berliner Politik kam erst gestern Mittag damit zu Potte, und zwei Stunden später legten die Thüringer Abgeordneten los.
Erfurt. Damit die Bürger wissen, wer hier welche Position vertritt, begründete Dirk Adams (Grüne), warum seine Fraktion das Thema beantragt hat.
Dabei vertraten die Grünen in Erfurt keine andere Position als ihre Parteiführung. Nur fünf Euro mehr sei peinlich, bestimmt nicht im Sinne des Bundesverfassungsgerichts und überhaupt. Dafür, dass der Abgeordnete und CDU-Generalsekretär Mario Voigt im Zusammenhang mit höheren Regelsätzen von Schlag ins Gesicht der Steuerzahler gesprochen hatte, forderte Adams ihn auf, sich zu schämen. Ein bisschen Schamröte hätte vielleicht Klaus Zeh (CDU) gut gestanden, der behauptete, Schwarz-Gelb habe nun reparieren müssen, was Rot-Grün einst unzureichend ins Gesetz formulierte. Gemacht hat es Rot-Grün, aber die Union stimmte zu, erinnerte Birgit Pelke (SPD) den anscheinend vergesslichen Zeh. Der war mal Sozialminister, fand gestern aber, es mache kaum Sinn, die Bundespolitik im Landtag zu diskutieren. Einen Anteil am Hartz-Kompromiss habe Thüringen sehr wohl, sagte Sozialministerin Heike Taubert (SPD). Der Freistaat habe sich im Bundesrat schließlich mit dafür ausgesprochen, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Sie verwies darauf, dass das Bildungspaket für Kinder nun nicht wie ursprünglich von den Jobcentern, sondern von den Gemeinden umzusetzen ist: Schwierig dürfte es dennoch werden, einen wenig bürokratischen Weg zu finden.
Noch hat die Landesregierung nicht schriftlich vorliegen, was morgen in der Länderkammer abgestimmt werden soll. Was auch immer, es wird eine erneute Verfassungsklage dagegen geben, prophezeite die Arbeitsmarktexpertin der Linken, Ina Leukefeld : Hartz IV kann man nicht verbessern. Die Linke sei nach wie vor für Abschaffung, auch wenn die Regelsätze im nächsten Jahr auf 367 Euro steigen werden. Leukefelds Fraktionskollege Frank Kuschel sagte, bei Abschaffung des Hartz-Systems mitsamt seiner bürokratischen Verwaltung hätte der Staat rund 16000 Euro pro Hilfeempfänger zur Verfügung, um Arbeitsplätze damit zu schaffen.
Marian Koppe (FDP) äußerte, die allerbeste Sozialpolitik sei und bleibe ein Arbeitsplatz. Aber die Opposition habe lange auf eine willkürliche Erhöhung der Hartz-Regelsätze bestanden, das sei von der FDP verhindert worden.
Na ja, für arme Kinder aber wird etwas getan. Das blieb weitgehend unwidersprochen, so wie später einhellige Freude darüber herrschte, dass der Bund Kinderlärm als hinzunehmende Belästigung einstuft. Als Biolärm, wie sich Christian Gumprecht (CDU) ausdrückte. Stimmen aus der Seniorenunion, die Geschrei aus Kindergärten protestierend anders eingestuft hatten, sind vergeben und vergessen. Die CDU sei keine Einheitspartei, stellte Gumprecht klar. In Thüringen gelte: Kinderlärm ist Zukunftsmusik. Eine wohl unfreiwillig realistische Einschätzung, wenn man die Prognosen der Statistiker betrachtet.
Zum Glück gibt es noch die Linke, die auch gestern für echten Zoff sorgte. Wegen der Ausstellung Neofaschismus in Deutschland im Suhler Rathaus und der Sammelleidenschaft der Meininger Staatsanwaltschaft, die zwei Ausstellungstafeln beschlagnahmte. Linke-Fraktionschef Bodo Ramelow wollte den Vorgang gern im Parlament diskutieren, zumal die Beschlagnahme auf eine Strafanzeige der Landes-CDU zurückging. Mario Voigt sah einen verunglimpfenden Zusammenhang in der Darstellung von Rechtsextremismus, Roland Koch und Guido Westerwelle . Die ausstellende Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) ist für ihn so eine Art U-Boot der Linken, um kommunistische Ideologie zu transportieren. Das Streitthema schaffte es dennoch nicht auf die Tagesordnung.